Kalter Regen und heißer Glühwein, Tannenbaum und Stille Nacht– für die meisten Deutschen gehören diese Dinge genauso zu Weihnachten wie die Zeit mit der Familie. Was bleibt vom Fest, wenn sie wegfallen? Das haben wir drei Menschen gefragt, die Weihnachten nicht zu Hause feiern – weil sie Ameisenbären erforschen, die Welt bereisen oder den Meeresboden des Atlantiks vermessen.
Weihnachtsgrüße vom Nordatlantik
Christopher, Du bist im Dezember mit dem Forschungsschiff „Meteor“ unterwegs, um hydrothermale Quellen auf dem Azorenplateau zu erforschen. Kommt man mitten auf dem Nordatlantik an einen Weihnachtsbaum?
Klar! Den holen wir in Lissabon an Bord, wo unsere Expedition startet. Wir machen schon so einiges, um auch Weihnachten zu feiern. Die Küche denkt sich etwas Besonderes aus und Wissenschaftler und die Bordbesatzung können beim Wichteln mitmachen. Die Forschung stellen wir an den Tagen zwar nicht ganz ein, werden aber nur kleinere Aufgaben mit wenig Leuten durchführen, so dass sich alle mal abwechseln können.
Auch 2014 hast Du Weihnachten auf einem Forschungsschiff verbracht, damals allerdings noch als Student. Heute bist du Forschungsleiter der Expedition. Kann man bei der ganzen Verantwortung noch an Weihnachten denken?
Ja, als Leiter bin ich zwar für die wissenschaftliche Arbeit verantwortlich, aber auch für das Wohlergehen der Teilnehmenden. Dazu gehört auch, ein schönes Fest zu organisieren. Bei uns zu Hause ist Weihnachten Familienzeit, alle kommen zusammen. Dass ich dieses Jahr nicht dabei sein kann, ist schade. Als Student fand ich es damals einfach aufregend, da war es mir egal, dass Weihnachten ist. Heute, mit Kind und Familie, ist das etwas ganz anderes.
Hast Du Strategien, um die Trennung von zu Hause etwas leichter zu machen?
Ich versuche mich auf die Feier auf der „Meteor“ zu konzentrieren, die wird bestimmt auch schön. Dabei kann es helfen, dass es an Bord nicht das beste Netz gibt. Man kann zwar Bilder und Sprachmemos an seine Familie schicken, aber es hängen nicht alle gleichzeitig bei FaceTime. Ich freue mich zwar über Bilder von zu Hause, aber habe dabei auch immer ein lachendes und ein weinendes Auge.
Wird die Besatzung an Bord zu einer Ersatzfamilie?
Ja, man verbringt einfach viel Zeit zusammen. Vor allem an den Weihnachtstagen, da die meiste Forschung dann hinter uns liegt und der Stress abfällt. Da können wir quatschen und zurückblicken auf das, was wir alles schon gemeinsam geschafft haben. Das ist besonders interessant, weil wir aus vielen verschiedenen Ländern kommen. Die eigene Familie ersetzt es nicht – eine Anfrage für eine Forschungsreise über Weihnachten im nächsten Jahr habe ich schon abgelehnt. Weihnachten zu Hause ist doch am schönsten.
Die Party des Jahres
Lydia, Du erforschst Ameisenbären in Brasilien. Hat das schon mal Deine Weihnachtspläne durchkreuzt?
Ja, und das war ziemlich dramatisch. Meine Mutter, meine Schwester und ich sind eine ganz schlimme Weihnachtsfamilie, seit meiner Kindheit feiern wir immer gleich und freuen uns jedes Mal wie verrückt drauf. Aber ich bin schon zweimal über Weihnachten bei den Ameisenbären geblieben. Meine Mutter hat extra eine Webcam installiert, um mir den Weihnachtsbaum und den Gänsebraten zu zeigen – unter Tränen. Für mich war es nicht ganz so schlimm, ich saß bei 30 Grad im Büro und war überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung.
Hattest Du Vorkehrungen getroffen, um ein bisschen in Stimmung zu kommen?
Meine Mutter hat mir ein riesiges Weihnachtspaket geschickt. Natürlich war die Schokolade schon geschmolzen und die Kekse waren pulverisiert, aber immerhin hatte ich die typischen Süßigkeiten da. Außerdem hatte ich eine Weihnachts-CD des Münsteraner Knabenchors dabei, die mein deutscher Kollege und ich immer sehr laut und in Dauerschleife im Auto gehört haben. Die Brasilianer haben uns angeguckt, als hätten wir nicht mehr alle Tassen im Schrank – langsame, getragene Musik ist nicht so ihr Ding.
Sondern?
Die hören eigentlich die gleichen Lieder wie wir, „Stille Nacht“ und „Feliz Navidad“ und so, aber in der Regel in einer fetzigeren Version. In Brasilien ist Heiligabend die Partynacht des Jahres, da feiern die Leute auf den Straßen bis zum nächsten Morgen. Es ist heiß und laut – in Deutschland kalt und still.
Wie wäre es gewesen, wenn Deine Familie Dich besucht hätte?
Man müsste sich im Haus einschließen, die Klimaanlage hochdrehen und irgendwoher einen Nadelbaum organisieren. Aber einen echten, und die gibt’s in Brasilien nicht. Nee, keine Chance, das deutsche Weihnachten zu reproduzieren.
Sonne, Palmen und Raclette
Ihr habt Euch für ein Jahr eine Auszeit vom Job genommen und bereist seit Oktober zusammen die Welt. Kann man sich da noch mehr zu Weihnachten wünschen?
Tom: Bisher war alles spektakulär und viel besser geht es nicht. Trotzdem brauchen wir manchmal Ruhe und einen Rückzugsort. Wir schenken uns zwar dieses Jahr nichts, haben uns für Weihnachten aber eine tolle Unterkunft in der Karibik gegönnt, mit Blick auf den Strand.
Heiligabend werdet Ihr in Kolumbien unter Palmen verbringen. Kommt Ihr bei dem paradiesischen Flair in Weihnachtsstimmung?
Nina: Tatsächlich gar nicht. Wir verbinden Weihnachten mit Winter, Weihnachtsmärkten und Tannenbäumen. Wenn wir Bilder aus Deutschland sehen, wie alle Plätzchen backen, denken wir nur: Von dieser Stimmung sind wir noch sehr weit entfernt! Die Idee, über Weihnachten nach Hause zu fliegen, haben wir trotzdem schnell wieder verworfen. Dafür ist der finanzielle und vor allem der CO2-Aufwand zu hoch. Und es ist auch mal ganz schön, weit weg vom Weihnachtsstress mit Events und Geschenkewahn zu sein.
Welche Tradition werdet Ihr besonders vermissen?
Nina: Bei uns zu Hause sind die Abläufe an Weihnachten recht traditionell. Wir schätzen besonders die Zeit, die man mit der Familie verbringt: reden, spazieren gehen, Spiele spielen und sich gegenseitig mit Geschenken eine kleine Freude machen. Wir treffen auch Freunde, die wir schon seit zehn Jahren kennen. Bei uns ist Weihnachten wirklich die Zeit für Familie und Freunde.
Als Reiseblogger seid Ihr ständig unterwegs. Habt Ihr trotzdem manchmal Heimweh?
Tom: An zu Hause denken wir auf unserer Weltreise kaum. Aber an Weihnachten wird es bestimmt Momente geben, in denen wir uns zu Freunden und Verwandten wünschen. Das Gefühl, ihnen nahe zu sein, versuchen wir aber einfach nach Kolumbien zu holen: Wenn unsere Familie in Deutschland am Tisch sitzt und Raclette isst, werden wir uns per Videocall dazu schalten.
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Online Redakteur bei CosmosDirekt seit 2014, davor seit 1996 in verschiedenen Bereichen des Cosmos tätig. Ist auf der Straße, im Garten und auf dem Wasser zu Hause.