Dürfen die das? AI und Recht: Eine kurze Bestandsaufnahme.

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Dürfen die das? AI und Recht: Eine kurze Bestandsaufnahme.

Die Revolution Generativer AI stellt Menschen und Wirtschaft vor ganz neue Fragen. Auch Jurist:innen müssen neue Antworten auf eine Welt mit ChatGPT, Midjourney und Co. finden. Und das ist gar nicht so einfach. Denn einerseits gilt es, eine Technologie rechtlich regulierbar zu machen, die sich jeden Tag weiterentwickelt und deren Folgen noch gar nicht absehbar sind. Darüber hinaus ist der Bezugsrahmen global, was die Herausforderung für Jurist:innen doppelt komplex macht. Es ist ein Wettrennen wie der des Hasen gegen den Igel.

Wie funktioniert generative AI?

Zunächst einen Schritt zurück: Generative KI ist eine Spielart Künstlicher Intelligenz, die verschiedene Arten von Inhalten wie Text, Bilder, Audio und synthetische Daten erzeugen kann. Der aktuelle Hype um generative KI wurde vor allem durch Tools wie ChatGPT, Midjourney & Co. verursacht. Diese Tools können in Sekundenschnelle überraschend hochwertige Texte, Grafiken, Videos oder Übersetzungen mit verhältnismäßig einfachen User Interfaces generieren.

Wie funktioniert generative AI?

Generative KI nutzt eine Vielzahl von Techniken, um auf Basis von großen Sprachmodellen, um Inhalte zu generieren. So interpretiert beispielsweise der bekannte AI Image Generator Midjourney die Eingaben von User:innen in natürlicher Sprache und erzeugt das entsprechende Bild. Generative AI nutzt dabei verschiedene Techniken, wie neuronale Netze und Deep-Learning-Algorithmen, um Muster in bestehenden Medien zu erkennen und auf dieser Grundlage neue Ergebnisse zu generieren. Große Sprachmodelle bilden hier die Basis. Mit ihnen lernt die AI aus bestehenden Daten, wie diese aufgebaut sind, um diese auf Nachfrage von Nutzer:innen zu reproduzieren. ChatGPT kann aus den vielen Texten, die es „gelernt“ hat Prognosen darüber treffen, wie ein Text geschrieben sein müsste, wenn man das Tool darum „bittet.“

Wo liegen aus juris­tischer Sicht die wesent­lichen Heraus­forde­rung­en?

Stark vereinfacht gesagt dreht sich die Suche nach einer AI-kompatiblen Rechtsprechung vor allem (wenn auch nicht ausschließlich) um drei Fragen des Urheberrechts:

  1. Wem gehören Medien, Texte, Designs und Sounds, die generative AI geschaffen hat?
  2. Darf generative AI aus urheberrechtlich geschützten Daten lernen und diese anwenden?
  3. Was passiert, wenn generative AI den Urheberrechtschutz von Menschen verletzt?
Wo liegen aus juristischer Sicht die wesentlichen Herausforderungen?

Alle diese Fragen beschäftigen eine Vielzahl von Justiziar:innen, Gremien, Richtern und Parlamenten in aller Welt. Rechtsprechung ist hier deshalb besonders komplex, weil sie mit dem Takt der Innovation Schritt halten muss.

Wem gehören Medien, Texte, Designs und Sounds, die generative AI geschaffen hat?

Eine erste wesentliche Frage ist, wer eigentlich Urheber beispielsweise eines Designs ist, wenn man beispielsweise einen AI Text-Bildgenerator wie Dall-E oder Stable Diffusion bedient. Diese Frage ist rechtlich wesentlich. So ist in Deutschland im Urhebergesetz definiert, wer sich überhaupt als Urheber qualifiziert und damit auch in den Genuss von Urheberrecht kommen kann. In § 2 Abs. 2 UrhG wird definiert, dass nur Werke urheberrechtlich schutzfähig sind, die „persönliche, geistige Schöpfung“ von jemandem sind. Diese Formulierung unterstellt, dass ein schutzfähiges Werk von einem Menschen hergestellt sein muss (ein Affe, der vor einigen Jahren ein zufälliges Selfie machte, hat offiziell kein Urheberrecht).

Wem gehören Medien, Texte, Designs und Sounds, die generative AI geschaffen hat?

Aber kann eine Künstler:in überhaupt irgendwie Urheberrecht geltend machen, wenn eine AI ihren Content erzeugt? Dazu gab es kürzlich ein Gutachten in den USA: Das U.S. Copyright Office stellte klar, dass AI generierter Content zunächst nicht urheberrechtlich schützbar ist – mit einer Ausnahme.

Hintergrund ist der Fall der amerikanischen Comic Künstlerin Kris Kashtanova, die für ihren Cartoon „Zarya of the Dawn“ unter anderem den AI Bildgenerator Midjourney genutzt hatte. Als Vorwürfe gegen Kashtanova wegen der AI-Nutzung laut wurden, ordneten das U.S. Copyright Office eine Nachprüfung ihres Urheberrechts an. Sie kamen zum Schluss, dass ihr kein Urheberrecht für eine von KI erstellte Grafik zustehe. Das Ergebnis des Bildgenerators sei nicht exakt vorhersehbar und damit unterscheide sich die Nutzung künstlicher Intelligenz massiv von der Nutzung anderer Tools. „Traditionelle Elemente der Urheberschaft“ lägen damit bei den Algorithmen hinter Midjourney und nicht bei dem Menschen, der die Eingaben der Prompts tätigt. Und die Algorithmen sind eben kein Mensch, dessen geistiges Werk schutzfähig wäre. Dennoch befanden die Gutachter:innen, dass es in einem Fall eine Ausnahme gebe: Bearbeitet ein/e Künstler:in bspw. mit Photoshop eine KI Kreation nach, stehe ihm oder ihr für diesen Arbeitsschritt Urheberrechtschutz zu.

Darf generative AI aus urheberrechtlich geschützten Daten lernen und diese anwenden?

Ein anderes juristisches Problem liegt im übergriffigen Lernhunger der AI: Die Bildagentur Getty und mehrere Künstler:innen haben deswegen auch Klage gegen Stability AI eingereicht. Das sind die Schöpfer:innen hinter der populären AI Software Stable Diffusion. Getty behauptet, dass Stability AI trotz Warnung Gettys Bilder zum Lernen genutzt hätte. Das Gelernte würde Stable Diffusion nun in Designs übersetzen. Ein ähnlicher Fall umfasst die Klage von drei Künstler:innen, die gegen mehrere AI Firmen aus ähnlichen Gründen klagten: Millionen von Künstler:innen wären um ihr Urheberrecht gebracht worden, weil AI-Plattformen „fünf Milliarden Bilder“ aus dem Internet gezogen hätten, um ihre AI zu trainieren.

In Deutschland ist auch für diese Frage das Urheberrecht wesentlich. In § 44 b) UrhG gibt es bereits relevante Regelungen, die hier relevant werden könnten. Danach fällt generative AI wohl unter den Begriff „Data Mining“, was die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken“ umfasst, „um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen. Das Trainieren von AI Modellen mit rechtlich zugänglichen Daten könnte dann grundsätzlich zulässig sein, wenn die Daten nach Abschluss des Trainings gelöscht würden. Auch nennt das Gesetz einen rechtlichen Ausweg für Content-Creators, die nicht wollen, dass ihre Inhalte zu Trainingszwecken von AI genutzt werden. Danach können Trainings mit bestehenden zugänglichen Daten dann ausgeschlossen sein, wenn der Rechteinhaber diesen elektronisch widerspricht. Wir steuern also auf eine elektronisch lesbare Opt-out Regelung zu, in der Künstler:innen, Fotograf:innen oder Journalist:innen in ihrer Lizenz definieren, ob mit ihren Werken trainiert werden darf.

Für alle die, die ihre eigenen Arbeiten vor AI schützen wollen, gibt es aktuell nur wenige technische Lösungen. So bietet die Plattform HaveIBeenTrained eine große Datenbasis an, mit der Creators überprüfen können, ob ihre visuellen Daten zum Trainieren benutzt wurden. Das gleiche Tool bietet auch eine Option an, um Content vor der Indexierung zu schützen. Zweifellos braucht es aber vor allem für Content Creators sehr viel mehr, klarere und einfachere technische Lösungen, um ihre Werke vor AI Trainings zu schützen.

Was passiert, wenn generative AI den Urheberrechtschutz von Menschen verletzt?

Die dritte große rechtliche Fragestellung dreht sich um die Frage, was passiert, wenn eine AI das Urheberrecht selbst bricht. Man stelle sich vor, dass ein Design oder ein Text entsteht, der bereits geschützt ist. Kann eine AI hier belangt werden? Oder gar der Mensch, der die AI bedient?

Was passiert, wenn generative AI den Urheberrechtschutz von Menschen verletzt?

Auch hier ist rechtlich einiges im Fluss und in den nächsten Jahren werden Gerichte und Parlamente hier für mehr Klarheit sorgen. Was geht und was nicht geht, ist in vielerlei Hinsicht definiert und wird künftig bei entsprechenden AI Fragestellungen Anwendung finden. Beispielsweise besagt heute schon die europäische Regelschutzfrist, das 70 Jahre nach dem Todesdatum z.B. einer Malerin deren Werke gemeinfrei werden. Und diverse Beispiele aus der europäischen Rechtsprechung deuten darauf hin, dass die Übernahme kurzer Textpassagen rechtlich legitim sind, wenn auch immer auf den Einzelfall hingedeutet wird.

Aber was passiert, wenn mittels einer AI beispielsweise ein Lied veröffentlich wird, das in geschützter Form bereits existiert? Hierzu gibt es viele weitere rechtliche Einzelkriterien, die mit Blick auf die Möglichkeiten generativer AI alle noch nicht abschließend geklärt sind. Im Kern stellt sich immer die Frage, wie sich Urheberrecht dann anwenden lässt, wenn der oder die Urheberin – wie im Falle generativer AI – weder ein Mensch ist (§ 7 UrhG) noch im klassischen Sinne „persönliche geistige Schöpfungen“ (§ 2 Abs 2 UrhG) erbringt. Kann man unter solchen Umständen überhaupt davon ausgehen, dass beispielsweise ein Übertritt des Urheberrechts „bewusst“ erfolgt ist? Kann man einer AI überhaupt Bewusstsein unterstellen?
Derzeit sind alle diese Fragen im Fluss. Wir werden in den nächsten Jahren erleben, wie Gesetzgeber und Gerichte mit dieser wesentlichen Frage umgehen.

Empfehlung: Vorsichtig sein

Generative AI löst eine Revolution in der Frage aus, wie Menschen mit kreativem Content umgehen und ihn produzieren, verwerten und konsumieren. Rechtlich wird das massive Folgen haben. Zwar gibt es speziell in der Europäischen Union juristische Grundlagen. Klar ist aber, dass die Rechtsprechung bei der rasanten technischen Entwicklung aufholen muss. In den nächsten Monaten und Jahren wird es hier in vielen Bereichen juristisch zur Klärung kommen.

Eben deshalb sollten Kreativwirtschaft und Unternehmen derzeit auf Nummer Sicher gehen. Um möglichen Schaden in der Zukunft zu minimieren, lohnt es sich, generative AI mit Blick auf die Ansprüche, die aus dem Urheberrecht resultieren können, mit Vorsicht einzusetzen. Man stelle sich eine Verkaufspackung im Supermarkt vor, deren Design aus Midjourney stammt. Oder ein Autor, der sein Buch mit ChatGPT schreibt. Falls es hier irgendwann zu Ansprüchen Dritter kommt, könnte dies für Content Creators tatsächlich irgendwann teuer werden.

Zweifellos wird in der Frage nach rechtlich verbindlichen Regelungen mit Blick auf Generative AI noch viel passieren. Die aktuelle Rechtsunsicherheit wird in den nächsten Jahren Regulierung erfahren, was für uns alle gut ist. Vor allem mit Blick auf die vielen positiven Aspekte Künstlicher Intelligenz muss ein Ausgleuch zwischen den Interessen der Plattformen und den vielen Millionen Content Creators geschaffen werden, die von den Folgen der Generativen AI Revolution betroffen sind.

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Über den Autor
Stefan

Ausbildung zum Versicherungskaufmann bei CosmosDirekt von 1989 bis 1991. Seit 1994 ist Stefan als Online-Redakteur für unsere Webseite verantwortlich.

Hobbies: Bodybuilding, Reisen, Autos, Motorräder, American Football, Heavy Metal.